Albert Brunotte                      Recht muß doch Recht bleiben,

und dem werden alle frommen Herzen zufallen

Psalm 94,15

 

Zeit-Sonette zur hannover-braunschweigischen Frage.

 

 

Hannover und Braunschweig

 

I.

 

Ernst August, frommer Fürst, am Recht geblieben,

Dein freu’n sich, die vom Recht nicht lassen wollen!

Ihr Dank, da freudig Dank sie dir nun zollen,

Gilt Gott, deß Geist zum Rechten dich getrieben.

 

Ob viel’, ob wen’ge heil’ges Recht noch lieben, -

nicht Zahl tut’s, sondern Kraft, in unruhvollen

Entscheidungen zu fragen, was wir sollen,

Und Antwort hier zu sehn: Es steht geschrieben!

 

Es steht geschrieben: Recht muß Recht doch bleiben!

Und: Wer nicht fürsorgt seinen Hausgenossen,

Fehlt schwer! – Zwei Häuser dich zur Fürsorg’ treiben:

 

Hannover, braunschweig, Einem Reis entsprossen!

Und sollt’ auch Streit der Pflichten dich zerreiben, -

Für beider Recht gleich fest bist du entschlossen.

 

 

II.

 

Hannover, deine Heimat, sahst geschlagen

Mit schwerem Leide du, sahst sie geächtet,

Von Bruderhand genommen und entrechtet,

Und mußtest der Verbannung schmerz ertragen.

 

Hannover, deine Heimat, sahst du fragen

Nach deinem Haus, trotz Knechtschaft ungeknechtet,

In Treu’ und wußtest es: Ihr Treu’n, ihr fechtet

Für Gott und unser Recht ohn’ alles Zagen.

 

Ihr fechtet nicht mit Stahl und Blei, - ihr lasset

Blitzen der Wahrheit Schwert, das Banner wehen

Taghellen Rechts, davor Scheinrecht verblasset.

 

Treu mit Treu’n in einem Kampf zu stehen,

Hast du erwählt, wie man die Treu’ auch hasset,

Und Treu’ um Treue gab ein gut Verstehen.

 

 

III.

 

man sah dich als des Vaters würd’gen Erben

Standhaft den Treu’n voran die Fahne tragen.

Noch fühl’ ich meines Herzens warmes schlagen,

Als du sie fest ergriffst bei seinem Sterben.

 

Du machtest deinem Volk den Kelch, den herben,

Mild durch der Treue stilles, starkes Wagen,

Daß gottverlieh’nem Gute du entsagen

Nicht wollt’st um Menschensold und Erdenscherben.

 

An deinem und an deines Volkes Rechte,

- Lebend’gem Stamm ein Recht des Eigenlebens, -

Hielt’st du, Prophet machttrunkenem Geschlechte

 

Hielt’st in der Reinheit du treu deutschen Strebens,

Der Freiheit hold, durchharrend Trübsalsnächte,

Gewiß: wer hofft auf Gott, hofft nicht vergebens!

 

 

IV.

 

Und Braunschweig rief: Auch hier sind deine Kinder

Von Niedersachsenart, dir anvertrauet,

Und wenn auf deine Treu’ Hannover bauet

In Zuversicht, bau’n wir darauf nicht minder.

 

Ohn’ Bitterkeit dem mächt’gen Überwinder

Bot’st du den Bund, - und wer dich würdigt, schauet

An dir die Bundestreue, der man trauet,

Nennt dich aus wirr’n durch Redlichkeit Pfadfinder.

 

Und Braunschweig ruft, zum Ziel nicht gleich gedrungen,

Dir mit verstärktem Ruf nach bangem Warten;

Untrennbar sind dir Löw’ und Roß verschlungen.

 

Da läßt du Braunschweig deinem Sohn, im harten

Pflichtwiderstreit ein Opfer, schwer errungen,

Verheißend neues Blühn im Völkergarten.

 

 

V.

 

Wohl will noch gute Meinung anders raten,

Dir, der sich so bezwang, noch mehr ansinnen,

Dir schnellen Kaufs vermeinte Ehr’ gewinnen

Und, wie sie sagen, Raum zu frischen Taten;

 

Will so, daß deine Heimat wird verraten,

Dein Banner hissen auf des Löwen Zinnen

Und löschen, Braunschweigs Glück neu zu beginnen,

Hannover dauernd aus dem Bund der Staaten!

 

Als ob nicht Glück durch andrer Weh nur Flimmer!

Als ob nicht mehr auch sei, vor Glanzesrollen,

Für’s Recht zu zeugen, mehr denn Thronesschimmer!

 

Und die vom Recht wie du nicht lassen wollen,

Verstehn als Mann der rechten Tat dich immer,

Dem für sein Opfer auch sie Ehre zollen.

 

 

VI.

 

Wie lohnt man’s? Ach, Du klopfst verschloss’nen Türen!

Wohl Macht ist, doch der Wille nicht, zu heilen.

Ach, will man so in sein Verhängnis eilen,

Da dunkle Mächte schon die Welt aufrühren?

 

Ach, will die Zeit man, da sich noch läßt führen

Unrecht zurück zum Recht, verschmähn, verweilen?

Was Gott zusammenschloß, noch mehr zerteilen,

Da an Sein Kronrecht Gott Sich nicht läßt rühren? –

 

Du hast, o Fürst, um dich und um die Deinen

Wohl Schmerz, doch tröstend hält euch Lieb’ verbunden,

Zwiefach, wenn ihr Verkennung müßt beweinen;

 

Du klagst wohl Braunschweigs, wohl Hannovers Wunden,

Doch raubt kein Machtspruch dir, die treu es meinen; - -

Ach, tiefstes Weh um Deutschland wird empfunden!

 

 

VII.

 

Gott läßt Sein Kronrecht straflos nicht mißachten!

Unrecht von oben weckt Unrecht der Tiefen.

Schon rütteln Geister, die im Abgrund schliefen,

Thron und Altar, als wenn sie leicht zerkrachten.

 

was hilft’s, ob Ruhmesfeu’r sich hell entfachten,

Was frommt’s, ob fromme Worte klangvoll riefen,

Will man Verderbenslauf, den viele liefen,

Nicht lassen, nicht mit ernst nach Treue trachten?

 

Wer Wind sä’t, erntet Sturm, - Erfahrung zeuget

Es klar, und kein wohlmeinend Tun kann’s hemmen,

Gönnt man nicht Raum dem Rechte, schwer gebeuget!

 

O Gott, nur Du kannst Unheilsflut noch dämmen,

Wo schon der Drache Kinder zahllos säuget, -

O Gott, gieb Heil Deutschland und Deutschlands Stämmen!

 

 

VIII.

 

Heil giebst der Buße Du, - o Gott, anrühre

Der Völker, Deutschlands, unser Hwerz inständig,

Daß uns, die fehlten, wiederum lebendig

Dein Geist durchweh’ und wahre Buße spüre!

 

Halt auf den Lauf, daß man nicht länger schüre

Des Weltwahns stolze Gluten, wild unbändig!

Gieß ein den Schein des Lichts, mach uns verständig,

Zu sehn, wie Buß’ allein zum Recht hinführe!

 

Georg, Dein Knecht im Leide sprach: uns allen

Sei durch das Leid zur Buß’ ein Zug beschieden, -

Und Dir gelassen blieb im Leid sein wallen.

 

Nach Deinem Wort, das Buß’ uns weist hienieden,

Laß seines erben Weg auch Dir gefallen,

Und mach selbst Feinde noch mit ihm zufrieden.

 

 

IX.

 

Getrost, Ernst August, wert, um’s Recht zu leiden!

Getrost, o Welfenhaus, durch Kampf bewähret!

Wenn große Not der Welt sonst widerfähret,

Wie mag dein Hirt dich still und friedlich weiden!

 

Und schafft uns Leid das Fernsein noch und Meiden,

So wissen wir, daß Leid nicht immer währet.

Gleichwie nach Wettern sich der Himmel kläret,

Kennt Gott die Zeit, vom Leiden uns zu scheiden.

 

An Gottes Recht, o Fürst, hast du gehalten

Und hältst du treu, - so sei Gott dein Genügen!

Treu wird dein Recht und unsers Er verwalten.

 

Und sei’s auch dunkel, wie Er’s hier will fügen, -

Den Treu’n sind ew’ge Kronen vorbehalten

Und Freud’ in der Erquickung vollsten Zügen!

 

 

 

 

Deutschland

 

I.

 

Tu Buße, du mein Deutschland! Laß ermannen

Sich deinen Sinn, zum Recht zurück sich lenkwen!

Zu tief in fremden Sinn schon durften senken

Hoffart und Trug dich, die dein Herz umspannten.

 

Du Volk, aufstrebend sonst gleich edlen Tannen,

Im Wirken kraftvoll, geistbegabt im Denken,

Mit welchem Gifttrank ließest du dich tränken

Von Geistern, die nur dein Verderben sannen!

 

Nicht Geister sind’s von oben, mag auch gleißen

Ihr Schwarm und in Lichtengel sich verstellen;

Irrführend Luftbild ist’s, was sie verheißen.

 

In ihnen Lucifer dir zum Gesellen

Erkorest du, - mein Volk, auf! zu zerreißen

Die Netze, die stets enger sie dir stellen.

 

 

II.

 

Tu Buß’ im Staube! Hoffartsgeist austreiben

Laß dir durch Jesu Geist und Demutwesen!

Ach, Hoffart macht so krank, - du möcht’st genesen;

Du kannst’s allein, wenn du beim Kreuz willst bleiben.

 

Laß doch, mein Volk, tiefglüh’nd es in dich schreiben,

Wie Er dich liebt, dich lockt, dich hat erlesen!

Folg ihm, daß Er nicht muß mit scharfem Besen

Ausfegen dich, wie Mahlkorn dich zerreiben!

 

O sahst du jemals Völker hoffartstrunken

Und in des Eigenruhmes Glanz geblähet,

Die nicht alsbald in Elend sind versunken?

 

Wo man des Rechts erhab’ne Demut schmähet,

Da löschen bald des Geistes letzte Funken,

Und Nacht gähnt an den, der nach Strahlen spähet.

 

 

III.

 

Du darfst, o Deutschland, aus viel hundert Jahren

Wohl mit so manchem Ehrenkleinod prangen;

Viel Heldenmären dir zum Lobe klangen,

Viel Hoheit ist und Heil dir widerfahren.

 

Doch bist gesegnet du vor Völkerscharen, -

Was nennst du dein, das du nicht hast empfangen?

Was rühmst du dich, als sei es ausgegangen

Von dir, und willst vor Gott das Danken sparen?

 

Was du an Vorzug magst vor andern haben, -

Halt wert es, doch nicht acht die andern schlechter

Als dich, erkenn auch ihre Vorzugsgaben.

 

Wer prahlt, steh’ er auch hoch, wird zum Gelächter.

Dein Gönnen laß und Geben andre laben,

Und bist du reich, so sei um so gerechter!

 

 

IV.

 

Ihr Söhne meines Volks, wie mögt ihr laufen

Nach Eitlem und in wilder Lust Begehren,

Die, kaum gebüßt, stets neu wird, euch verzehren,

Verschmachtend an der Weltsucht schalen Traufen?

 

Ihr Töchter meines Volks, wie mögt ihr Haufen

Zu schnödem Flitter ihr und Tand euch kehren,

Da ihr mit allem Schmücken doch und Ehren

Dem Leib kein friedlich Sterbhemd könnt erkaufen?

 

Ach, was soll all das Gaukeln, Gaffen, Grämen

Um Staub und Dunst, da doch der Ruf von oben

Lockt, Herrlichkeit, die bleibet, anzunehmen!

 

Tut Buß’, ihr Kinder meines Volks! gehoben

Zum Wesenvollen, bleibt nicht feil dem Schemen!

Nicht Schein mehr, - ew’ge Schönheit sollt ihr loben!

 

 

V.

 

Ach weh, daß hohlen Schein man lässet gelten!

Mit Massen will man prunken und mit Zahlen

Und rühmet noch: Wir dienen Idealen, -

Doch wahrer Geistesflug, wie ist er selten!

 

Mann sonnt sich an ertränkten Schönheitswelten,

Man wiegt sich in Begeist’rungsbacchanalen,

Und kann, vergötternd sich, nich übermalen

Das Mene-Tekel grell in Freudenzelten.

 

Man baut nach außen, bringt sich Huldigungen;

Die Prahlsucht selbst an heil’ge Kunst sich waget,

Die doch nur wert hat, frommem Sinn entsprungen.

 

O daß man, sonst von Unruh’ nur zernaget,

In sich vor allem wär’ zu bau’n gedrungen

Des Herzens Dom, dem Gottes Klarheit taget!

 

 

VI.

 

Frech wühlt im Volk der geist aus Abgrundstiefen,

Weiß nun, daß ihm die Meng’ ist zugeschworen.

Da hat die feinen Formen er verloren;

Von Feu’r und Blut rot seine Reden triefen.

 

Wach wird das Grau’n, wo nächtlich Stimmen riefen;

Schrill klingt’s nach oben zu verwöhnten Ohren.

Doch saget selbst, ihr, in der Höh’ geboren,

Wer sind sie, die zuerst dem Baal nachliefen?

 

Sind sie nicht euer Fleisch und Blut, den Kreisen

Der Macht und Sitt’ und Bildung nicht entstammet,

Die, weis’ aus sich, nicht mehr sich ließen weisen?

 

Sie spielten mit dem Feu’r, - nun, da es flammet,

Aufschrei’n sie, die’s mit ihrem Spott noch speisen,

Und sind mitschuldignur und mitverdamet!

 

 

VII.

 

Vom Berge rinnet Labung, strömet Segen;

Vom Berg kann auch Verwüstung sich ergießen.

Ihr auf den Höh’n, wie viel Verwüstung fließen

Ließt ihr ins Tal aus euren Irrwahnswegen!

 

Ihr lerntet mit dem Zweifel Zwiesprach pflegen

Als trautem Freund, ließt Wahrheit euch verdrießen;

Vom Schöpfer wich eu’r Schaffen und Genießen;

Ihr wurdet dreist, Heil’ges in Staub zu legen.

 

Ihr rühmt der Wissenschaft euch, - ja, ihr wisset

Selbst Gottes Schrift des Ansehns zu entkleiden,

Das, wenn’s nun schwindet, ohne Schmerz ihr misset;

 

Zerstückt, verwirrt, entleert mögt ihr sie leiden;

Nun lernt von euch das Volk; ihr habt entrissen

Sein Bestes ihm, - wie wolltet ihr’s noch weiden?

 

 

VIII.

 

Was staunt ihr, daß so laut am Tor sie pochen,

der Ordnung festen Bau tief unterwühlen,

Ihr euch nicht mehr auf eures Reichtums Pfühlen

Wähnt sicher, euch dem Umsturz seht versprochen?

 

Was laßt scheinfrommen Zorn ihr in euch kochen,

Wenn, was ihr lehrtet, sie euch machen fühlen?

Gelüstet sie’s, am Recht den Mut zu kühlen,

So denkt, was ihr durch Unrecht habt verbrochen!

 

Habt fremde Rechte heilig ihr gehalten?

Habt alten Thronen Achtung ihr erwiesen?

Nahmt ihr nicht Macht euch, frei damit zu schalten?

 

Den Nutzen, den Erfolg habt ihr gepriesen

Und nanntet Recht Zwirnsfäden, schwach zum Halten; -

Weß ihr euch rühmt, soll’s andern sein verwiesen?

 

 

IX.

 

O warum werden doch von euch gescholten,

Die wahren Deutschtums Redlichkeit noch hegen,

Die deutsche Treu’ im Herzen noch bewegen

Als Gut, wie’s bei den Vätern hat gegolten?

 

Ist’s Frevel denn, wenn sie nicht Beifall zollten,

Da man ihr Land zerschlug mit Schwertesschlägen,

Nicht ehrlos den verließen, dem bei Regen

Wie Sonnenschein sie Folgschaft leisten sollten?

 

Was ihr sie sehet tun, hat Gott geboten;

Sind sie auch fehlsam, - Gott kann nimmer fehlen!

Die Seinem Recht sich weihn, nennt Seine Boten.

 

Wollt ihren Weg ihr fomm und deutlich erwählen,

So werdet Deutschlands Glück ihr wie von Toten

Erstanden sehn, und niemand soll’s euch schmälen!

 

 

X.

 

Blüht’s denn nicht schon, das Glück der deutschen Gauen?

Ihr sagt es wohl, doch wer glaubt eurer Kunde?

Ein Dritteil noch der Deutschen fehlt im Bunde,

Und tief zerklüftet ist das Reich zu schauen.

 

Mit Gift, sagt man, schuf Zauber eitlen Frauen

Wohl äuß’re Schönheit, innen Siechtums Wunde;

So krankst bei äuß’rem Glanz zu, - ach, gesunde,

Mein Deutschland, dich zur Vollkraft zu erbauen!

 

Von innen lähmt ein Murren dich und Hadern;

Staatsgewalt vielarmig macht dir’s enge;

Des Änderns Sucht durchsiedet deine Adern.

 

Scheel sieht man außen dein vermeint Gepränge. - -

Tu Buße, daß dein Recht sei wie aus Quadern

Gefugt, dein Friede nicht mehr im Gedränge!

 

 

XI.

 

Spürt man’s an Fürsten: Euch ist heil’ge Sache

Der Friede, gern wollt eurem Volk ihr dienen, -

O wie muß Christenvolk erbeten ihnen,

Daß ihrem Tun Gedeihn und Heil erwache!

 

Spürt man’s an Fürsten auch, daß wir nur schwache

Gefäße sind, uns Heil nur ist erschienen

Im Gottessohn, - sie zwiefach Flehn verdienen,

Daß Seiner Kraft Er sie teilhaftig mache!

 

So sprach schon Väterweisheit: Wollte flehen

Das Volk nur halb so viel für seine Obern,

Als es sie schilt, im Land würd’s besser stehen!

 

Doch wer, ein Beter, Unrecht sieht erobern

Das Land, darf mahnen auch, zum Recht zu stehen,

Und dient so mehr, denn Lob von feilen Lobern.

 

 

XII.

 

O daß ihr lobet Recht, durch Recht gekrönet,

Erkenntet, wie sich Recht und Ruh gesellen,

Wie stets aus Unrecht Haß und Hader quellen;

Indeß Vertrau’n dem Recht entgegentönet!

 

Weh! Deutschland, das sonst Volk mit Volk versöhnet,

Muß sich um Unrecht einsam lassen stellen,

Muß, wenn’s Vertrau’n begehrt, sich lassen fällen

Dies Urteil: Hast nicht du Vertrau’n verhöhnet?

 

Unrecht mit Unrast büßend, starrt’s in Waffen,

trägt Überrüstung, wie die Nachbar’n tragen, -

Ach, welch ein Friedenszerrbild ward geschaffen!

 

Welch ein Machtwettbewerb voll Unbehagen!

Wollt heilen ihr, wo Völkerklüfte klaffen,

Müßt ihr des Rechts vertrau’nde Rüstung wagen!

 

 

XIII.

 

O möchtet als Arz’nei das Recht ihr kennen,

Durch die allein sich Fieberwahn läßt heben

Der Eifersucht, drin bang die Völker beben,

Gerettet, wenn Gerechtigkeit sie sännen!

 

O möchtet ihr das Recht den Balsam nennen,

Der, wenn in Haß um Haß sind hingegeben,

Die Einem Heim einträchtig sollten leben,

Noch Wunden ausheilt, die schon tödlich brennen!

 

Vom Recht geleitet, werden nicht die Reichen

Herzlos die Ärmern drücken, schmähn, verachten,

Nicht Brot nur, Bruderehr’ auch ihnen reichen,

 

Nicht blind die Ärmern nach Schwarmgleichheit trachten,

Verbittern nicht, weil Recht und Lieb’ ausgleichen,

Wo Härten durch Gewalt sonst sorgend nachten.

 

 

XIV.

 

Laßt nicht Gewalt vor Recht gehn, nicht regieren

Des Stärk’ren Recht, wie’s immer gut ihm scheinet!

Mag auch, wenn er bejaht, was Gott verneinet,

Zu Nein macht Gottes Ja, solch Recht ihn zieren?

 

Wird nicht Gesetz, daß man sich läßt verlieren

Von Dem, der alles setzt, stets bald beweinet,

Trugordnung nicht, wie sie geschmückt sich meinet,

Zu schmach vor Dem, der prüfet Herz und Nieren?

 

Gerechtigkeit erhöht ein Volk, - Verderben

Wächst aus der Sünd’ ihm zu und reift mit Wehe,

Blutfarb, wo man’s gern rosenfarb möcht’ färben.

 

Was auch an sitt’ und Satzung dreist entstehe,

Das Gottes heil’ge Satzung bricht, muß sterben; -

Das lebt, was spricht: Dein Will’, o Herr, geschehe!

 

 

XV.

 

Sprecht nicht: im Völkerleben sei begangen

Stets Unrecht, - als entschuld’ es eure Taten!

Meßt nicht mit anderm Maß das Recht der Staaten,

Als Einzelrecht ihr meßt, sonst wird’s euch fangen!

 

Wer mit dem Aufruhr buhlt, dem müssen Schlangen

Des Aufruhrs nur zu eignem Tod geraten.

Sturm war noch stets die Ernt’ aus Windessaaten;

In Unheil sinkt, wer bleibt am Unrecht hangen.

 

Schmückt nicht eu’r Unrecht gar durch gleißend Beten,

Sprecht nicht: Gott hat’s gewollt, wer kann es wenden?

Nein, Gott will dies: Ihr sollt vom Unrecht treten!

 

Von schwer verletzten Brüdern euren Händen

Wird Gottes Recht entfordert, - laßt im späten,

Doch schönen Rechttun alles noch recht enden!

 

 

XVI.

 

Nehmt Deutschlands Einheit nicht zum Vorwandsgrunde,

Als sei um Opfer ihr das Recht zu bringen!

Not sind, der Einheit Kleinod zu erringen,

Wohl Wunden sonst, doch nicht des Unrechts Wunde.

 

Germania, Muter ihrem Völkerrunde,

Hat Raum, viel freie Kinder zu umschlingen,

Die nicht sind herdenweis mit Zwang zu zwingen

In gleiche Form, als dien’ es so dem Bunde.

 

Wo deutsche Völker, deutsche Obrigkeiten

Ihr Eignes wahren, doch nicht eigensüchtig

Für sich stehn, sich von Treue lassen leiten,

 

Wird Deutschlands Einheit, die der Zwang schnell flüchtig

Nur leimt, durch recht und Freiheit sich ausbreiten

In Eigenart der Stämme treu und tüchtig.

 

 

XVII.

 

Nennt nicht verjährt das Recht, - wie kann’s verjähren,

Wo noch kein Fried’ ist und Vertrag geschlossen,

Wo noch nicht, die man kränkte, sind verdrossen

Der heil’gen Ford’rung: Recht sei zu gewähren!?

 

Nennt nicht verjährt, was noch mit heißen Zähren

Beweint wird, wie viel Zeit auch sei verflossen,

Was Fürst und Volk, des gleichen Leids Genossen,

Als gleichen Hoffens hehres Ziel erklären!

 

Nennt Recht Gefahr auch nicht dem Vaterlande,

Wo’s arglos wird vertreten, friedlich, offen;

Nicht irrt’s das Land, löst nur des Landes Bande.

 

Nennt Recht unmöglich nicht, wo fest noch hoffen

Viel Herzen auf den Herrn im Allmachtsstande,

Deß Hülfe noch zeitig eingetroffen.

 

 

XVIII.

 

Tu Buße, du mein Volk! Ein frei Bekennen

Der Schuld ist männlich, das vor Gott geschiehet.

Da schminkt und schmückt man nicht, was klar man siehet;

Gott nennt’s verkehrt, - man will’s nicht anders nennen.

 

Gott hat’s bedroht mit Fluch, - man fühlt ihn brennen

In sich mit heißer Reu’, doch gläubig fliehet

Man hin zur Gnade, die den Schuld’gen ziehet

Aus Netzen dicht, wie sie ihn auch umspännen.

 

Den Weg der Buß’ erkenn, den Gott dich führet

In Seinem Wort, - den Großen zeigt’s und Kleinen,

Den Niedern und den Hoh’n, was Ihm gebühret.

 

Den Weg der Buße geh, so wird durch Seinen

Allmächt’gen Lebensgeist dein Tod berühret,

Und du kannst wandeln rein dann vor dem Reinen.

 

 

XIX.

 

O Gott, Dein Deutschland sieh, und was ihm dräuet:

Gericht, wie’s scheinet, schwer und unabwendlich!

Doch Deine Gnad’ in Christo, groß, unendlich,

Kann’s schaffen noch, daß Totes wird erneuet.

 

O Gott, gieb Gnade, daß uns Unrecht reuet,

Des Rechts heilvolle bahn uns wird verständlich,

Nach Leid wir Freudenpsalmen froh erkenntlich

Dir weihn, wenn wieder heil’ges Recht uns freuet!

 

O Gott, ström über Deutschland Recht und Frieden,

Daß auch Hannover nicht, noch Braunschweig treiben

Rechtlos dahin, Heil beiden sei beschieden!

 

Ja, zum Gesetz und Zeugnis! Wie du’s schreiben

Uns läßt, laß aufgehn, die mit Schmerz wir mieden,

Die Morgenröte: Recht muß Recht doch bleiben